Heute möchte ich gerne über das Schreiben und meine Beziehung zum Schreiben schreiben, denn ganz schlau werde ich aus dieser Beziehung bisweilen nicht. Doch wer weiß, vielleicht trifft mich während des Schreibens dieses Textes die Erkenntnis wie ein Schlag. Einen Versuch ist es in jedem Fall wert. Möglicherweise findet sich auch der ein oder andere Autor in diesen Zeilen wieder und freut sich, dass er oder sie nicht die Einzigen sind, die sich mit solchen Themen herumschlagen. Mir tut sowas jedenfalls immer sehr gut.
Wie ist das also mit mir und dem Schreiben? Nun, unsere Beziehung währt schon recht lange. Ich habe schon gerne und viel geschrieben als mein äußeres Erscheinungsbild noch von zartem Babyspeck geprägt war. In der Schule fand ich es großartig, wenn wir eigene Texte verfassen durften. Der Deutschunterricht war für mich was für Gollum der Ring ist. Als Teenagerin besuchte ich Kurse zum Kreativen Schreiben an der Volkshochschule. Dort saß ich mit einigen netten älteren Ladies, aß Kekse und schrieb Texte. Auch im Studium besuchte ich immer wieder verschiedene Schreibwerkstätten, schrieb Gedichte, Geschichten, Reden und was mir sonst so einfiel. Die Tradition des Schreibens setzte sich auch nach dem Studium bis zum heutigen Tag weiter fort.
Inhaltlich und stilistisch haben sich meine Texte über die Jahre sicherlich (hoffentlich) verändert. Angefangen mit süßen Kindertexten folgte mit fortgeschrittenem Alter depressiv-pubertäre Poetik, die mich heute gleichermaßen amüsiert und zutiefst beschämt. Bedingt durch meine akademische Laufbahn dominierte dann für viele Jahre das wissenschaftliche Schreiben. Das fiel mir immer etwas schwer, da diese Art zu Schreiben für meinen Geschmack zu technisch ist. Zwar habe ich nach einiger Zeit so etwas wie einen eigenen Stil entwickeln können, wirklich erfüllt hat es mich aber nicht. Mittlerweile schreibe ich wieder das, was ich möchte und habe außerdem das große Glück, dass ich meine Liebe zum Schreiben auch teilweise in meinen Beruf miteinfließen lassen kann. So schreibe ich zum Beispiel die Patenbriefe für unsere Wolfspaten oder helfe beim Verfassen von Website Texten.
Aber wo wir gerade beim Thema Liebe sind. Ich muss gestehen, dass meine Beziehung zum Schreiben nicht durch und durch harmonisch und die Liebe zu ihr mitnichten bedingungslos ist. Diese Tatsache lässt mich gelegentlich an mir, meinen Texten und meiner Schriftstellerzukunft zweifeln. Vielleicht ist das Schreiben gar nicht meine Passion? Vielleicht fehlt mir einfach die nötige Hingabe und Leidenschaft und daher das gewisse Etwas? Vielleicht sollte ich es denen überlassen, die es wirklich können und lieben und mein Dasein als zufriedene Leseratte fristen, die genießt und konsumiert, was andere zubereitet haben. Doch anders als beim Essen, bei dem ich mit voller Zufriedenheit genau diese Strategie verfolge, behagt mir der Gedanke, beim Schreiben gleichermaßen zu verfahren, ganz und gar nicht. Irgendetwas in mir will sich offenbar doch gerne schriftstellerisch ausdrücken und lässt sich nicht nur mit der passiven Leserrolle abspeisen. Da eine Trennung also nicht in Frage kommt, muss ich meine Beziehungsprobleme mit dem Schreiben wohl oder übel genauer unter die Lupe nehmen und versuchen sie zu lösen; quasi eine Art Paartherapie mit dem Schreiben.
Eine Sache, die mich immer wieder irritiert, ist, dass ich häufig mit Motivationsschwierigkeiten zu kämpfen habe. Oft habe ich einfach keine Lust mich hinzusetzen und zu schreiben. Dann hänge ich auf dem Sofa herum, trainiere Sakkadensprünge auf Facebook, schlafe zwischendurch ein oder putze die Wohnung. In meiner romantischen Vorstellung sollte man hingegen (fast) immer Lust haben, seinem liebsten Hobby nachzugehen. Es sollte stets eine Freude sein und nichts, wozu es nötig ist, sich zu zwingen.
Damit einhergehend erlebe ich häufig eine gewisse Getriebenheit beim Schreiben. Oft muss ich mich zum Beispiel an einen anderen Ort begeben, damit ich endlich zu schreiben beginne. Dort angekommen frage ich mich dann nicht selten, warum ich nicht zu Hause geblieben bin, da es dort eigentlich viel netter ist. Erst heute durfte ich diese Erfahrung wieder machen als ich mit Hund und Laptop schließlich bei der Fast Food Kette meines Vertrauens gelandet war. Wie ein rückenkranker Schimpanse hockte ich an einem niedrigen Holztischchen unter dem meine Beine kaum durchpassten. Die gefühlt 40 Grad warme und schwüle Luft duftete nach Frittierfett, mein Kopf dröhnte und meine Beine klebten unangenehm aneinander und auf den Kunstlederbezügen fest. Nach einer Stunde verließ ich daher meine Schaffensstätte wieder, um Zuhause weiterzuschreiben. Dort ging es weiter mit der Getriebenheit. Denn wenn ich zu Hause schreibe, passiert es nicht selten, dass ich alle paar Sätze aufspringen und durch die Wohnung laufen muss. Der Weg führt mich überzufällig häufig zum Kühlschrank und dann versuche ich die innere Spannung wegzufressen. Leider hilft das nur temporär und irgendwann stellen sich Bauchschmerzen ein, wenn ich es wieder einmal übertrieben habe.
Einen wirklichen Flow beim Schreiben kenne ich nicht. Dabei hört man das immer wieder von Künstlern jeglicher Art, die sich völlig in ihrer Kunst verlieren und zum Beispiel eine ganze Nacht lang durchschreiben oder malen, weil die Stunden einfach so verfliegen. Das ist mir noch nie passiert. Ich bin froh, wenn ich einige, wenige Stunden zusammengeschrieben bekomme und das Ergebnis mir dünkt.
Dennoch bin ich immer sehr glücklich, wenn ich wieder einen Text geschrieben habe. Es ist ein bisschen wie beim Sport. Es kostet Überwindung überhaupt anzufangen, doch dann ist es meistens doch ganz nett und hinterher fühlt man sich richtig toll.
Wer weiß, vielleicht ist das einfach meine Art zu schreiben. Vielleicht bin ich nicht der Flow Typ, sondern der geplante, strukturierte, wenn auch getriebene Schreiber, der sich selbst das Leben schwer macht, weil er versucht etwas anderes zu sein. Denn mein eher rationaler Ansatz hat durchaus auch Vorteile. Ich kann Texte sehr gut planen, schweife selten ab und lektoriere meine Texte meist schon während des Schreibprozesses. Ein Füllhorn der Effizienz.
Allerdings kann ich auch nicht ganz ausschließen, dass ich mir mit meiner planerisch-perfektionistischen Art manchmal selbst im Weg stehe. Da bleibt wenig Raum für Leichtigkeit und Unbeschwertheit (glücklicherweise wirkt sich das bei mir nicht negativ auf die Kreativität aus).
Ich versuche daher in Bezug auf mein Schreiben zweigleisig zu fahren. Zum einen mache ich regelmäßig Schreibübungen, die bewusst den Fokus vom Perfektionismus weglenken. So habe ich zum Beispiel das „Freewriting“ für mich entdeckt, bei dem ich einfach alles aufschreibe, was mir gerade durch den Kopf geht. Ohne Konzept und Plan und ohne ein Ziel, auf das hingearbeitet wird. Das Ergebnis ist immer wieder eine schöne Überraschung und nicht selten sind Inspirationen für meine Texte mit dabei.
Zum anderen versuche ich, wie schon erwähnt, nicht jemand anderes sein zu wollen. Jeder Autor hat seinen eigenen Stil und seinen eigenen Zugang zum Schreiben. Wie genau das Schreiben aussieht und sich anfühlt ist daher wohl ebenso individuell wie die Menschen dahinter. Ich für meinen Teil empfinde diese Sichtweise als sehr befreiend und ermutigend. Alles ist okay, alles darf sein. Daher hoffe ich, sie motiviert nicht nur mich dazu, meinen eigenen, ganz persönlichen Weg weiterzugehen bzw. weiterzuschreiben.
02. August 2020